Historie


Der Weg zur Gründung der Medizinischen Fakultät 

Im Laufe der Industrialisierungswelle im Ruhrgebiet am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert reichten die konfessionell geführten Krankenhäuser wegen des enormen Bevölkerungszuwachses zur Krankenversorgung nicht mehr aus. Am 15. Juli 1905 beschloss die Stadt Essen die Errichtung eines Städtischen Krankenhauses. Prof. Grober aus Jena wurde zum Chefarzt bestellt. Er hatte von Anfang an die universitär-wissenschaftliche Ausrichtung im Blick: als erstes verlangte er die Einrichtung eines Pathologischen Instituts. In seiner Festrede anlässlich der Eröffnung der Städtischen Krankenanstalten durch Bürgermeister Holle am 29.Juli 1909 ging Prof. Grober noch darüber hinaus. Er wünschte sich - ähnlich dem heutigen Leitspruch des Universitätsklinikums „Menschlichkeit und Wissenschaft“- , dass das Krankenhaus zum Mittelpunkt des „Ärztlichen Lebens“ in Essen werden möge und einerseits das Wohl des Patienten oberstes Gesetz sein solle („salus aegroti suprema lex“), andererseits aber auch wissenschaftlich gearbeitet werden und die gewonnenen Erkenntnisse publiziert werden sollten.

 

Die Stadt hatte die wissenschaftliche Ausrichtung damals allerdings noch nicht im Blick. Es sollte noch 50 Jahre dauern, bis Prof. Walter Müller, der Hauptinitiator der Gründung einer universitären medizinischen Fakultät, berufen wurde, das so nötige Pathologische Institut einzurichten. Diese Kurzsichtigkeit – man bedenke, dass Essen damals eine überaus prosperierende Stadt war -, verbunden mit anderen Querelen führten zum Absprung von Prof. Grober und zu einem Zickzackkurs des Krankenhauses bis endlich 1963 zur Entstehung der Universitätsklinik, erst 50 Jahre nach Grobers Gründungsvision! Immerhin, die erste Ausbildung von Medizinalpraktikanten wurde 1911 von der Regierung erlaubt und es begann die Ausbildung zu Krankenschwestern. Auch ein Haus für Ärztliche Fortbildung wurde ins Leben gerufen, die Errichtung einer „Akademie für Praktische Medizin“ gelang nicht. Die damaligen Ansätze kann man als Vorbild für den erst heute durch das Institut für Allgemeinmedizin ins Leben gerufenen „Universitären Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin“ ansehen.

 

Währenddessen wuchsen und prosperierten die Krankenastalten. Die zunächst wenigen Abteilungen wurden rasch ergänzt, so dass in den 30-er Jahren fast alle Fachgebiete vertreten waren. 1940 verfügte die Krankenanstalten über 1400 Betten und 700 Beschäftigte. Durch die Zerstörung des Klinikums im Zweiten Weltkrieg gab es amNeuanfang nur noch 45 Betten. Erst 1955 wurde die Vorkriegszahl an Betten überschritten bei nun 900 Mitarbeitern.  

 

Doch der Gedanke, im Ballungsraum Ruhrgebiet mit 4 Millionen Menschen auch universitäre Medizin mit Forschung und Lehre zu etablieren, lebte weiter. Noch in den 50iger Jahren wurde das Pathologische Institut als Vorbedingung des universitären Anspruchs Wirklichkeit. Der Pathologe, Prof. Dr. Walter Müller, wurde an die damals noch städtischen Krankenanstalten berufen, es zu gründen. In der Folge machte er sich – zum ärztlichen Direktor der Kliniken gewählt – die Errichtung einer universitären medizinischen Akademie zur Lebensaufgabe. Dem ungeduldigen Müller gelang es zusammen mit einer Reihe von gleichgesinnten Kollegen - im Vorgriff auf die geplante, aber noch nicht realisierte, Ruhr-Universität – beim Ministerium in Düsseldorf Anfang der 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts die Weichen für die Errichtung einer Medizinischen Fakultät in Essen zu stellen.

 

Am 21. Juli bzw. am 9. August 1963 wurde der konstituierende Vertrag vom damaligen Kultusminister Schütz für das Land NRW und dann vom Oberstadtdirektor Wolff, welcher auch der Krankenhausdezernent war, sowie vom Verwaltungsdirektor Hamann unterschrieben. Die Gründung erfolgte als „Zweite Medizinische Fakultät der Universität Münster“ - verwaltungstechnisch eine schwere Geburt wegen der Besonderheit der Überschreitung nicht nur der Grenzen des Regierungsbezirks sondern auch der Landschaftsverbandgrenzen zwischen Westfalen und dem Rheinland!! Aber eigentlich zielte der politische Wille auf eine zweite Universität in Westfalen, also im westfälischen Teil des Ruhrgebiets, und nun begann das Unternehmen zwar im Ruhrgebiet aber im rheinischen Essen, denn Bochum war noch nicht so weit.

 

Am 30. September – also ganz nah am Termin des diesjährigen Festaktes am 5. Oktober 2013 – wurden 11 Chefärzte der Städtischen Krankenastalten (fast alle bereits habilitiert) zu ordentlichen Professoren der Universität Münster ernannt und  Walter Müller zum Gründungsdekan gewählt. Am 5. November begann bereits der Lehrbetrieb. 70 Studenten fanden sich  um 7 Uhr morgens – noch vor der medizinischen Alltagsarbeit - zu Müllers erster Vorlesung ein. Mit Eröffnung der Ruhruniversität Bochum 1967 wurde die Essener Fakultät dort eingegliedert (die politisch gewünschte zweite westfälische Universität hatte also immer noch ein rheinisches Anhängsel!!).

 

1972 wurde die Gesamthochschule Essen errichtet und die Uniklinik als Universitäre Einrichtung der Gesamthochschule, die damals noch keine Universität war, geführt (also wieder eine Sonderrolle). Während in der Ruhruniversität Bochum inzwischen auch das klinische Medizinstudium möglich wurde, müssen Bochumer Medizinstudenten die Vorklinik nach wie vor in Essen ableisten. 1973 endete die städtische Geschichte der Krankenanstalten. Bis dahin gab es einen Doppelhaushalt: die Krankenanstalten gehörten in den Etat der Stadt, Lehre und Forschung in den Etat des Landes. Jetzt übernahm das Land Nordrhein-Westfallen nun auch die Krankenanstalten als Universitätsklinikum Essen und überführte dies 2002 in eine  Anstalt des öffentlichen Rechts. Mit Gründung der Universität Duisburg-Essen 2003 fand die Medizinische Fakultät hier ihre entgültige Heimat.

 

 

 

 

Das Aufrücken in den Kreis ausgewählter Spitzenkrankenhäuser mit universitärem Status bedeutete eine deutlich größere Attraktivität für nationale und internationale Spitzenmediziner und -forscher, sich nach Essen zu bewerben und hierher berufen zu werden. Dieses erzeugte auch in Essen einen ständig wachsenden Bedarf hinsichtlich der räumlichen und personellen Ausstattung, um im Wettbewerb um die Besten in der Spitzenmedizin gegenüber anderen Standorten bestehen zu können.  

 

Durch die Gründung der Universität-Gesamthochschule-Essen im Jahr 1972 hatte die Medizinische Fakultät Essen nach den Jahren der Zugehörigkeit zur Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (1963 -1967) und der Ruhr-Universität Bochum (1967 -1972) ihre "Alma Mater" endlich doch am Standort Essen erhalten; neben der Abteilung Essen der Pädagogischen Hochschule Ruhr und der Fachhochschule für Ingenieurwissenschaften Essen war das Universitätsklinikum Essen eines der drei Gründungsmitglieder der Universität-Gesamthochschule-Essen. Im Gegensatz zu anderen Hochschulneugründungen im Land Nordrhein-Westfalen war somit mit dem Universitätsklinikum auch eine ehemalige universitäre Einrichtung an dieser Gründung beteiligt, was zur Schaffung weiterer universitärer Fachbereiche (Chemie, Physik) in Essen führte. Am 1. Januar 1973 übernahm das Land Nordrhein-Westfalen die Städtischen Kran kenanstalten, wodurch das Universitätsklinikum erstmals in ungeteilter Trägerschaft stand; Eberhard Wolff (1920 -2009)*, der bereits seit 1970 die Verwaltung des Klinikums Essen als Verwaltungsdirektor geleitet hatte,wurde zum Leitenden Regierungsdirektor bestellt.

 

In den frühen 1990er Jahren hatte die Arbeitsgruppe "Hochschulmedizin" der Kultusministerkonferenz (KMK) über die Zukunft der Universitätskliniken unter finanziellen und strukturellen Gesichtspunkten beraten. Das 1993 erschienene Gesundheitsstrukturgesetz zwang geradezu, bestehende Strukturen und Rechtsformen der Universitätsklinika sowie ihre Verflechtung mit den Medizinischen Fakultäten grundlegend zu überdenken. In der Folge wurde die sogenannte "Neuordnung der Hochschulmedizin" im Landtag beschlossen. Zum 1. Januar 2001 trat -wie bei allen Universitätskliniken des Landes NRW -auch in Essen die Verordnung über die Errichtung des Universitätsklinikums Essen als Anstalt öffentlichen Rechts in Kraft. Die Geschäftsführung oblag fortan dem Vorsta nd, der von einem Aufsichtsrat kontrolliert wird. Die Einführung kaufmännischer Strukturen machte aus dem Universitätsklinikum ein selbstverantwortliches modernes Unternehmen, dessen Satzung Zuständigkeiten und Prozessabläufe festlegt; die Zusammenarbeit zwischen dem Klinikum und der Universität ist durch einen Kooperationsvertrag geregelt.

 

Auch die Leitungsstrukturen der Medizinischen Fakultät änderten sich grundlegend: an die Stelle des Dekans als Vertreter der Fakultät trat nun ein Dekanat, bestehend aus dem Dekan sowie je einem Prodekan für Lehre, Studium und Studienreform (Studiendekan), Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs sowie für Planung und Finanzen.

 

Zu Beginn des Jahres 2003 wurden durch Beschluss des nordrhein-westfälischen Landtags die bis dahin selbständigen Hochschulstandorte Duisburg und Esse n zu einer "Universität Duisburg-Essen" fusioniert, der für die betroffenen Fachbereiche einen schwierigen Umstellungsprozess darstellte. Da nur am Standort Essen eine Medizinische Fakultät bestand, war diese von den notwendigen Umstellungen in geringeren Maßen betroffen. Die sogenannte "Errichtungsphase" konnte zum Jahresende 2006 erfolgreich zum Abschluss gebracht werden.